Mátyás Seiber

1905 - 1960

Composer and Director of the world's first academic jazz courses, 1928-1933
Komponist und Leiter der ersten Jazzklasse weltweit an Dr. Hoch's Konservatorium, 1928-1933


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Mátyás Seiber und das Jazzorchester des Hoch'schen Konservatoriums in einer Rundfunkaufnahme aus dem Jahre 1931
Peter Packay (1904-1965): Oh my (für Jazzensemble)
Jazzorchester des Dr. Hoch's Konservatorium, Frankfurt am Main, 1931
Leitung: Mátyás Seiber

Ein frühes Zeugnis der Jazz-Rezeption in Deutschland

In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts fand der Jazz als neue Form der Unterhaltungsmusik den Weg von den USA nach Europa. Die neuartigen Stilmittel erregten bei Musikern und Komponisten großes Interesse und wurden alsbald in die europäische Kunst- und Unterhaltungsmusik integriert. Das Hoch'sche Konservatorium in Frankfurt am Main richtete im Jahre 1928 die weltweit erste Jazz-Klasse ein. Die Leitung dieser Jazz-Klasse übernahm der aus Budapest stammende Komponist Mátyás Seiber (1905-1960). Das Hoch'sche Konservatorium zählte schon bald nach seiner Gründung im Jahre 1878 zu den renommiertesten Musikinstitutionen in Deutschland. Prominente Musiker wie Clara Schumann und Engelbert Humperdinck lehrten dort. Die große Bedeutung der Institution würdigte seinerzeit auch die Deutsche Bundesbank, indem sie das Hoch'sche Konservatorium auf der Rückseite des 100-DM-Scheins abbilden ließ.

Die Einrichtung einer Jazz-Klasse an einer der wichtigsten deutschen Ausbildungsstätten für den musikalischen Nachwuchs zeugt von dem hohen Stellenwert, den man Ende der 1920er Jahre der neuen Musikrichtung aus den USA beimaß. Fünf Jahre nach der Gründung, im Jahre 1933, wurde die Jazz-Klasse des Hoch'schen Konservatoriums auf Druck der Nationalsozialisten wieder geschlossen. Mátyás Seiber verließ im Herbst des Jahres 1933 Deutschland. Er kehrte zunächst nach Ungarn zurück und emigrierte schließlich 1935 nach Großbritannien. Seiber starb 1960 bei einem Verkehrsunfall im Krüger National Park, Südafrika.

Aus Seibers Frankfurter Zeit ist ein interessantes Tondokument erhalten, das die frühe Jazz-Rezeption in Deutschland widerspiegelt. Die Südwestdeutsche Rundfunk A.-G. hatte Mátyás Seiber und das Jazzorchester des Hoch'schen Konservatoriums am 12. Dezember 1931 in den Sendesaal des Frankfurter Funkhauses zu einer Aufnahme eingeladen. Interessanterweise wählte Seiber für die Aufnahme keinen amerikanischen Jazz aus, sondern den Titel "Oh my" des belgischen Trompeters Peter Packay - alias Pierre Paquet (1904-1965). Die Aufnahme präsentiert mithin eine durch und durch europäische Adaptation des originalen amerikanischen Jazz. (Deutsches Rundfunkarchiv)


Timeline of jazz education von Edmund Brownless in Wikipedia (Englisch)

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Mátyás Seiber
Komponist und erster Jazzlehrer der Welt
Composer and the World's First Professor of Jazz



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Julia Seiber Boyd, daughter of Mátyás Seiber
mit Prof. Dr. Peter Cahn
(Author of: Dr. Hoch'sche Konservatorium 1878-1978)
Frankfurt am Main, 24. September 2010
50. Todestag von Mátyás Seiber
After the Concert celebrating the 50th Anniversary of Seiber's Death


Mátyás Seiber
von
Edmund Brownless

Mátyás Seiber war einer der ersten Weltmusiker. Als der junge Komponist zwanzig Jahre alt war, wurde er in einer deutschen Zeitung kritisiert, dass er zu sehr von der ungarischen Vergangenheit und Musik statt der deutschen musikalischen Tradition beeinflusst war. Zwei Jahre später arbeitete er in einem Quartett auf einem Schiff und reiste nach Nord-, Mittel- und Südamerika. Besonders in New York konnte er Jazz kennenlernen - wichtig für seine nächsten Jahre in Frankfurt. Durch die Initiative Bernhard Sekles, Leiter des Dr. Hoch's Konservatorium, wurde Seiber der erste akademische Jazzlehrer der Welt. April 1933 wurde das Jazzprogramm beendet und, da er Ausländer und Jude war, wurde er, mit Bernhard Sekles und zwölf anderen Lehrer des Konservatoriums, entlassen. Er ging kurz danach nach England, wo er sehr erfolgreich als Komponist und Kompositionslehrer war. Unter dem Pseudonym George S. Mathis (so zu sagen auf Englisch: György S. Mátyás) hat er auch Jazz und populäre Musik komponiert: 1956 sein Lied "By the fountains of Rome" erreichte die "Top 20" der britischen Popcharts. Vielleicht singe ich selbst das Lied am 11. November bei unserm Jazzfest: wir werden die ersten akademischen Jazzkurse der Welt feiern. In Deutschland wurde der Jazzunterricht am Konservatorium als monströs und eine Pest beschrieben. Aber wo kam er her? In England wurde er als ungarischer Komponist anerkannt - und andersherum in Ungarn als englischer Komponist. 1960 als seine Tochter Julia 11 Jahre alt war, hat er Vorträge an verschiedenen Universitäten in Südafrika gegeben. Während eines Besuchs im Krüger-Nationalpark, ist er bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Seiber war Musiker und vorallem Komponist. Heute Abend werden Dozenten und Studenten Lieder und Kammermusik aus verschieden Jahrzehnten seines Lebens spielen. Es ist gute und schöne Musik - es ist nicht wichtig, ob sie ungarisch, deutsch oder englisch ist!


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Julia Seiber (daughter of M. Seiber) looking at the poster with Gerard Hoffnung's cartoon of Mátyás Seiber
Centenary Exhibition held at Morley College in 2005


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Mátyás Seiber with unknown acquantance in front of Schott's Music in London.
Photo is prior to 1949, possibly earlier than 1947.


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Schule für Jazz-Schlagzeug (Schott: Mainz 1929)
All the Secrets of Playing Jazz in M. Seiber's School for Jazz Percussion


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77 Breaks für Schlagzeug (Mainz: Schott, 1929)
77 Breaks for Jazz Percussion
Improvisations for Jazz Percussion


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Indentification Card / Ship's Pass for Mátyás Seiber's trip to the North, South and Middle America, 1926-1928
Sieber carried this card for nearly 2 years as
cellist in the string quartet playing for the first class passengers.
It is often incorrectly stated that he played in the ship's orchestra.

(Mathias Seiber, Musician)